Blutegel – ekelhafte Parasiten oder clevere Tierchen?

Blutegel – ekelhafte Parasiten oder clevere Tierchen?

Wer meine Arbeit kennt weiß, dass ich mein Wissen im Bereich der Therapie mit Blutegeln vertieft habe. Natürlich habe ich meiner besten Freundin von meiner nächsten Fortbildung erzählt und sie antwortete angewidert „… diese ekligen, blutsaugenden Minivampire kann man doch nicht toll finden…“. Da es einigen so geht, möchte ich euch den Mehrwert dieser „Minivampire“ näherbringen.

Bevor ich über die kleinen Tierchen erzähle, möchte ich euch über die Therapie selbst was erzählen, denn es handelt sich hierbei nicht um eine Modeerscheinung. Nachweislich tauchten die Blutegel in der indischen und chinesischen Medizin vor etwa 3.000 Jahren auf. Die Blutegeltherapie gibt es also schon seit vielen Jahren. Im 19. Jahrhundert gab es einen regelrechten Hype – massenhaften Einsätzen mit bis zu 100 Stück am Menschen. Solch eine Menge auf einem Körper führte meistens zum Tod. Leider muss man sagen, dass durch diesen Hype die Blutegel in Mitteleuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ausgestorben waren. Glücklicherweise gibt es in Deutschland entsprechende Zuchtstätten, die die Blutegel in entsprechender Qualität züchten. Aber was macht die Blutegel so interessant für die alternative Heilmethodik?

Das Geheimnis liegt in der Spucke des Egels. Es sind bis heute noch nicht alle Inhaltsstoffe identifiziert und erforscht. Allerdings geht man davon aus, dass es zu den bereits bekannten Inhaltsstoffe noch einige weitere Stoffe gibt. Am bekanntesten ist die gerinnungshemmende Wirkung von Hirudin (vom Wort Hirudo für Blutegel abgeleitet) und Calin. Ebenfalls erwähnenswert ist der Stoff Hyaluronidase. Dieser wirkt nicht nur leicht antibiotisch, sondern setzt die Durchlässigkeit von Zell- und Gefäßwänden herab. Somit können die Wirkstoffe leichter in das Gewebe gelangen. Aber jetzt mal zur wichtigsten Frage überhaupt – wann kommen die Egel eigentlich zum Einsatz?

Gerne werden die Egel zur Behandlung von Hufrehe und Abszessen verwendet. Aber die cleveren Tierchen können noch viel mehr. Weitere gängige Beispiele sind Arthrose, Hämatome oder Blutohr. Glücklicherweise kann man sagen, dass hier noch nicht Schluss ist. In der Hirudopunktur werden zusätzlich Hüftgelenksdysplasie, Ellenbogendysplasie, kissing spines und vieles mehr behandelt. An dieser Stelle möchte ich an alle experimentierfreudigen appellieren: bitte jetzt nicht in die nächste Apotheke rennen und Egel wahllos ansetzen. Denn die Therapie mit den Egel ist nicht nur ein Mikroaderlass, welcher über mehrere Stunden nachblutet, es gibt auch einige Dinge wie Kontraindikationen zu beachten. Zudem muss jede Bisswunde entsprechend versorgt werden. Daher geht auf Nummer sicher und holt euch einen erfahrenen Tierheilpraktiker an die Hand, denn die Blutegeltherapie kann Risiken mit sich bringen.

Gut zu wissen ist es auch, dass die Therapie mit Blutegeln dem Arzneimittelgesetz und dem Tierschutzgesetz unterliegt. Somit sind nicht nur Bezug, Haltung und Entsorgung der Blutegel geregelt. Zusätzlich gibt es auch Tiere, für deren Behandlung es keine zugelassenen Blutegel gibt, ganz zu Schweigen von der Karenzzeit im Pferdesport.

Blutegel sind also nicht so ekelig oder fies, wie manch einer denkt – oder vielleicht dachte? Es wäre schön, wenn sie als die kleinen nützlichen „Arzneimittel“ gesehen werden, die sie sind. Lasst euch oder eurer Fellnase mal bei entsprechenden Beschwerden Blutegel ansetzen und macht euch selbst ein Bild den „kleinen Vampiren“ mit der „Superspucke“.